In dem Kooperationsprojekt mit dem Komponisten Jan Kehrberger greife ich die jahrhundertealte Tradition des Fastentuchs auf. Es leitet sich ursprünglich vom jüdischen Tempelvorhang ab. Die Verwendung des Fastentuchs wird regional etwas unterschiedlich gehandhabt. Aber grundsätzlich verwehrt es während der Passionszeit den Blick auf den Altar.
Mich treibt es wegen seiner Ambivalenz an: Es verhüllt etwas, und gleichzeitig zeigt es etwas Besonderes. Es ist beides gleichzeitig: Verbergen und Sichtbarmachung.
Und im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie ist unversehens und existenziell das Nachdenken über Leben und Tod in den Fokus gerückt, noch aktueller und trauriger: das Sterben im Krieg.
Kooperation:
Das Aufhängen des Tuches ist mit der Uraufführung des Werkes VERHÜLLUNG von Jan Kehrberger, einer Vertonung des Textes „Vor Arvo Pärts Stabat Mater zu rezitieren“ von Nora Gomringer, verknüpft.
Die Gestaltung des Tuches ist eine künstlerische Weiterentwicklung der während der Zurückgezogenheit der Corona-Jahre entstandenen kleinformatigen Reihe DIESSEITS/JENSEITS.
DIESSEITS / JENSEITS
Sie ist eine Beschäftigung mit Grabesdarstellungen in Auferstehungsbildern der Kunstgeschichte (Bellini, Veronese, Raffael) und der aktuellen Kunst (Manuel Graf). Die Rechteckform begegnet uns hier frontal als Graböffnung, in räumlicher Verkürzung als geöffneter Sarkophag und als installative Projektion. Das Rechteck als Thema mit Variationen.
Der Text von Nora Gomringer enthält zum Teil Handlungsanweisungen, die ich auch für die Rezipientinnen und Rezipienten des entstehenden Tuchs wichtig finde. Eindeutig ist es ein analoger und spezifischer Ort, in dem man sich physisch bewegt. Die Zeit der Abnahme des Tuches ist die liturgische Schnittstelle zwischen Leben und Tod, zwischen Greifbarem und Ungreifbarem.
An dem Fastentuch interessiert mich die Größe, die das Übliche überschreitet, und wie sie den Raum verändert.
Insgesamt reizte uns das Zusammenspiel des abstrakten Potenzials der Musik und der Malerei mit textlich und bildlich ausformulierten Elementen mit ihrem Wirken im konkreten Raum.