BOOM CITY – MOVE

(…) Die Modularbeit BOOM CITY bildet aus quadratischen Teilstücken einen übergroßen wandfüllenden Stadtplan einer fiktiven Stadt. Ausgangsmaterial sind reale Stadtpläne der 50 größten Städte der Welt im gleichen Maßstab. Während sich im all-over der Strukturen von Straßennetzen das weltweite zu beobachtende, ungehemmte Wachstum von Metropolen und Ballungsräumen spiegelt, wählt die Künstlerin die kombinatorische Methode des Baukasten-Prinzips als Hinweis auf ein kognitives Phänomen unserer Zeit: Die global vernetzte Informations- und Kommunikationstechnologie macht es möglich, alles mit allem in Beziehung zu setzen. Aber wächst die Kompetenz, über die Sinnhaftigkeit solcher Relationen zu entscheiden, in gleichem Maße?

Am Sinnbild von Stadtplan und Karte wirft Bettina Schünemann die Frage nach Orientierung und Welterfahrung auf. Sie fragt nach den Bedingungen und Perspektiven individueller und kollektiver Ausrichtung innerhalb eines Lebens- und Erfahrungsraums, der nicht mehr eindeutig definiert und umgrenzt ist.

Nachdem vor etwa 7000 Jahren in Mesopotamien die ersten Stadtgesellschaften entstanden waren, bildeten ihre Bewohner zum ersten Mal diese Städte in Stadtplänen ab. Sie taten das im Vertrauen, ihre Welt und deren Organisation erfassen zu können. Sie verliehen dem Blick der Götter auf die Welt eine Darstellungsform, um das aus der Einzelperspektive nicht Überschaubare überschaubar zu machen und entwickelten eine Methode, um sich in ihrer Welt zurechtfinden zu können.

Bettina Schünemanns Arbeiten beziehen sich auf das große Kulturerbe der Kartographie. Aber im Zweifel, ob heute noch eine Navigation durch die Wirklichkeit anhand dieses Systems möglich ist, entwickelt sie Neu- und Umbewertungen (DRAW A MAP (…to get lost, Yoko Ono)). Ihrer Skepsis verleiht sie Gestalt in künstlerischen Methoden zum Projizieren einer Welt der Übergänge, des Gleichzeitigen und der schnellen Veränderungen.

Dr. Angelika Steinmetz-Oppelland,
aus dem Flyer zur Ausstellung BOOM CITY Kunstverein Coburg 2019

Die Coburger Ausstellung ist von der – buchstäblichen – Gegenüberstellung der beiden Modul-Arbeiten BOOM CITY und MOVE heraus entwickelt worden.

BOOM CITY
Installation, 50 Module, jeweils: Acryl, Tusche und Schellack auf Papier und Holz, 50 x 50 x 3 cm, 2013

MOVE
Installation, 50 Module, jeweils Öl auf Leinwand, 63 x 63 cm, 2012